Haushalt 2023 mit Zustimmung der FDP verabschiedet
Rede des Vorsitzenden der FDP-Stadtratsfraktion Franz Holtz zur Verabschiedung des Haushalts 2023 der Stadt Erftstadt in der Sitzung des Stadtrates am 20. Juni 2023:
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,
verehrte Gäste,
Erftstadt hat Entwicklungspotentiale, die in seiner Nähe zum Ballungszentrum Köln, in seiner exzeptionellen Verkehrslage, seinem großen Flächenbestand und seiner landschaftlichen Situation mit einem hohen Freizeit- und Erholungswert und einer starken kulturellen Prägung begründet sind, bisher nicht ausgeschöpft.
Die Konzentration auf seine Wohnfunktion hat es zu einem attraktiven Wohnort für eine insgesamt gutverdienende Bevölkerung gemacht, die aber ihren Arbeits- und teilweise auch Interessenschwerpunkt an ihren Arbeitsorten in Köln und anderen Orten hat. Dies hat auch dazu geführt, dass sich keine nennenswerte Industrie entwickelt und sich nur wenige bedeutendere Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor angesiedelt haben, mit entsprechenden Konsequenzen für die kommunalen Finanzen.
All dies bedeutet, dass die Entwicklungsdynamik im Wesentlichen von außen bestimmt worden ist.
Soweit ein Auszug aus dem Aufsatz „Von Lechenich zu Erftstadt: Stadtentwicklung im 19. Und 20. Jahrhundert“ von Horst Matzerath, in „Auf dem Weg zur Erftstadt“ Geschichtsverein Erftstadt 2015, S. 67-68.
Weshalb habe ich diese Worte zur Einführung meines Redebeitrags zur Verabschiedung des Haushalts 2023 gewählt?
Horst Matzerath beschreibt, was schon seit Jahren das Hauptproblem unserer Haushaltsaufstellungen ist: Es gelingt uns nicht, den Spagat zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen, und so schieben wir schon seit 2015 ein Defizit von im Schnitt rd. 7 Mio. € vor uns her.
Der Kämmerer Dirk Knips hat in seiner Rede zum Doppelhaushalt 2021-22 gesagt:
„Die Stadt hat es in der Vergangenheit nie geschafft, sich aus eigenen Mitteln aus dem HSK zu befreien. Nur gesetzliche Änderungen bzw. Erleichterungen haben den Haushaltsstatus verändert. Die Liquiditätskredite entwickeln sich immer mehr zu einem Problem bzw. einem Risiko für die Stadt. In der sog. Nothaushaltszeit konnte die Liquidität verbessert werden. In der Planung liegt das strukturelle Defizit bei über 10 Mio. Euro. Im Ist-Ergebnis dagegen bei über 5 Mio. Euro. Bei gleicher Haushaltsbelastung wie in den letzten 10 Jahren, wird sich das Eigenkapital in den nächsten 10 Jahren auf null reduzieren. Fazit: Es muss der Stadt gelingen, die Haushaltssicherung auch ohne gesetzliche Änderungen zu beenden. Nur so wird das strukturelle Ergebnis verbessert. Dies kann aber nur gemeinschaftlich erfolgen. Die besten und realistischsten Verbesserungen können nur aus den Fachämtern selber kommen.“
Der Bürgermeister a. D. von Rheinbach Stefan Raetz sprach vor kurzem bei einer Veranstaltung des Städte- und Gemeindebundes von den 5 bzw. 6 „F’s“ als Herausforderung bei der Entwicklung der Kommunen: Flächen, Finanzen, Fachkräfte, Flüchtlinge, Flut und Frieden. Diese Faktoren sind nicht isoliert zu sehen, sondern eng miteinander verknüpft.
Was die benötigten Flächen zur Ausweisung neuer Gewerbe- und Wohngebiete anbelangt, da hat sich in Erftstadt lange Zeit nichts getan, was wohl auch daran lag, dass nicht rechtzeitig die nötigen Flächen z.B. im Wirtschaftspark in Lechenich gekauft wurden.
Einzig und allein steht im Regionalplan, über welche Flächen wir in den nächsten Jahren verfügen können. Wenn also beim Gewerbesteueraufkommen kaum Verbesserungen zu erwarten sind, dann müssen wir sehen, welche Gebühren angehoben werden können.
Und was ist mit den Flächen, die wir für die Ansiedlung der TH Köln reserviert haben? Wir haben nach wie vor die Illusion, dass es zur Ansiedlung der TH Köln kommt. Bisher fehlen aber sämtliche Signale von Bund, Land und Kreis, dass dies wie erhofft umgesetzt wird.
Mitte Mai waren wir allerdings überrascht, dass wir durch die Presse informiert wurden, dass das zweite Projekt des Bildungsstandorts Erftstadt, die Ansiedlung der Fachhochschule des Bundes am Ville Campus bis 2027 erfolgen soll.
Sehr erfreulich ist auch die Tatsache, dass die Kreishandwerker-schaft am 23. Januar dieses Jahres mit dem Spatenstich für ihr Gründer- und Bildungscamp an der Carl-Benz-Straße im Wirtschaftspark ein Zeichen des Aufbruchs gesetzt hat. In der März/April Ausgabe des „Meisterbriefs“ wird dieser Schritt als Auftakt zum „Leuchtturm-Projekt“ bezeichnet. Wir freuen uns auf jeden Fall über die Initiative der Kreishandwerkerschaft, hier zügig voranzugehen und möglicherweise schon im Spätsommer oder Herbst mit den ersten Betrieben vor Ort zu sein.
Wenn wir schon keine neuen Einnahmen durch die Ansiedlung von Gewerbe gewinnen können, wie steht es dann um die Ausgaben?
Um mit uns selbst, den Vertreterinnen und Vertretern im Rat und den Ausschüssen anzufangen, hier ein Blick auf die Kostenentwicklung:
Verglichen mit dem Haushaltsansatz für 2022 steigen die Ausgaben für Rat und Ausschüsse um ca. 340.000 € trotz einer Verkleinerung des Rates seit 2020 von 50 auf 44 Mitglieder. Das hängt einmal mit der Gründung einer weiteren Fraktion und mit der Erhöhung der Aufwandspauschalen zusammen. Hinzu kommt, dass eine Mehrheit der Fraktionen im Sommer 2022 darauf bestand, die Zahl der anrechenbaren Fraktionssitzungen auf 45 zu erhöhen.
Außerdem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass zu viele sachkundige Bürger und Bürgerinnen den Haushalt zu sehr belasten - ein Hinweis von IMAKA-, der leider nicht von allen Fraktionen ernst genommen wird und stattdessen weiter Personen nachgemeldet werden.
Auch die Zahl der Sitzungen könnte unserer Meinung nach reduziert werden.
Wir haben viel Geld in die Hand genommen, um gemeinsam mit IMAKA die Struktur unserer Verwaltung zu durchleuchten. Was ist dabei herausgekommen?
Zum 1.1.2023 wurden erhebliche Änderungen in der Organisationsstruktur unserer Verwaltung vorgenommen. Ob diese die erhofften Verbesserungen für die Bürgerschaft und in den Arbeitsabläufen der Verwaltung bringen, muss sich erst noch zeigen. Auf jeden Fall müssen wir uns ehrlich die Frage stellen, was mit dem vorhandenen Personal leistbar ist, inwiefern es weiter qualifiziert werden kann bzw. wo wir beim Bürgerservice eventuell Abstriche machen müssen.
Zu dieser Frage hat einer meiner Vorgänger, Dr. Hans-Eduard Hille, bei der Verabschiedung des Haushalts 2018 festgestellt, dass bei einer „unveränderten Fortschreibung des Stellenplans 2018“ unbedingt eine Zäsur notwendig war, da ansonsten schon für 2019 der Nothaushalt unabwendbar gewesen wäre, weil diese um 11 Prozent gestiegen wären. Seit dem 23. April 2023 wissen wir jetzt, wie hoch die Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst sein werden, und das bedeutet für unseren Haushalt 2023 zusätzliche ca. 1,2 Mio. €. Dabei sind aber noch nicht die Steigerungen in den Eigenbetrieben berücksichtigt.
Dass diese Steigerungen nicht unseren Haushaltsentwurf überfordern, liegt einzig und allein daran, dass bisher vorgesehene Stellen nicht besetzt werden konnten.
Völlig unverständlich ist für uns aber die Tatsache, dass ohne Berücksichtigung der inzwischen vereinbarten Lohnsteigerungen bereits im Haushaltsentwurf die Verdoppelung des Produkts für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen ist.
Umso wichtiger ist es, Prioritäten zu setzen für das, was uns wirklich voranbringt.
Wir alle sind gefordert, d.h. die Bürgermeisterin, die gesamte Verwaltung und alle Fraktionen, sich an den unbedingt notwendigen Taten messen zu lassen und das bedeutet, dass wir nicht jedermann gefällig sein können – so schön das auch wäre. Also müssen wir bei jedem Projekt nicht nur die sachlichen, sondern gleichzeitig und gleichrangig auch die finanziellen Aspekte betrachten.
Um dies an einem Beispiel deutlich zu machen, möchte ich an die Entscheidung erinnern, die unbedingt notwendige Mensa für die Donatusschule zu bauen. Aber 4 Mio. € dafür zu investieren, ist für eine Kommune in unserer finanziellen Situation schon grenzwertig.
Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass wir Projekte, wie die Sanierung des Schulzentrums Lechenich und den Umbau der Volkshochschule in ein Haus der Erwachsenenbildung weiterhin zu stemmen haben. Der inzwischen verabschiedete Schulent-wicklungsplan hat uns aufgezeigt, dass wir in den kommenden Jahren horrende Anstrengungen unternehmen müssen, um die von Bund und Land vorgegebenen Maßnahmen für die Ertüchtigung der Grundschulen im Bereich der OGS umzusetzen. Wie gut, dass wir im Dezember letzten Jahres zumindest die Frage, ob wir uns eine Gesamtschule neben den bereits existierenden Erftstädter Schulen leisten wollen oder können, mehrheitlich abgelehnt haben.
Welche weiteren Herausforderungen uns noch bevorstehen, z.B. bei der Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine zusätzlich zu denen aus anderen Ländern kann keiner von uns heute seriös beantworten.
Seit 2017 – seit 6 Jahren - warten wir darauf, dass Wohnraum geschaffen wird, sowohl für Ältere, Alleinstehende aber auch für Familien. Hierfür gab es ursprünglich einmal die Idee, ob dies mit einer eigens dafür zu gründenden Gesellschaft, einer sogenannten AöR, schneller umzusetzen ist. Außerdem sind wir ursprünglich davon ausgegangen, dass die Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft die Ansiedlung der Technischen Hochschule begleitet und so nicht nur auf Stadtplanung, studentischen und privaten Wohnungsbau begrenzt ist, sondern auch die Ansiedlung Hochschul-verwandter Unternehmen aktiv angeht. Inzwischen stellt sich jedoch die Frage, ob diese AöR nicht ganz andere Ziele haben wird?
Der FDP sind neue Projekte in unserer Stadt wichtig. Aber genauso wichtig ist uns eine solide Haushaltspolitik. Wir wägen sorgsam ab, was wir uns leisten können ohne schnurstracks in den Nothaushalt zu geraten. Wir wollen Projekte, die auf einer guten und durchdachten Konzeption beruhen und die mit Augenmaß finanziert werden können.
So sind wir z.B. der Meinung, dass die Planung eines neuen Stadions in Köttingen überdimensioniert ist. Wir haben stattdessen vorgeschlagen, zugesagte Fördermittel des Bundes für den Ausbau des Sportplatzes in Kierdorf zu verwenden. Dieser Vorschlag hat den weiteren Vorteil, dass die Grundschule Kierdorf auch zukünftig einen kurzen Weg für die Sportstunden im Freien hat. Außerdem müssen wir darauf achten, dass die Stadt den Bau neuer Sportstätten nicht komplett an sich zieht und somit Vereine keine Verpflichtung mehr für Eigenleistung kalkulieren müssen. Das würde die städtischen Finanzen komplett überfordern.
Unsere konkreten Anregungen aus dem Frühjahr 2021 zur Erarbeitung einer Klimaschutzstrategie für Erftstadt mit der Forderung, Erftstadt bis 2040 klimaneutral zu organisieren, haben in der Verwaltung bisher nur wenig Unterstützung erfahren, obwohl sich unsere Vorschläge dadurch auszeichnen, dass sie vor Ort sukzessive umsetzbar und finanzierbar sind. So stellen wir auch an anderer Stelle fest, dass es bei der Planung des neuen Baugebiets Lechenich Nord-West kaum vorangeht. Nach dem Willen der FDP-Fraktion sollen hier Klimaschutz und Energieeffizienz höchste Priorität haben, in dem ein smartes Quartier mit nachhaltigen Baustoffen und neuen Technologien bei der Energienutzung zum Einsatz kommen sollen.
Die neue Klimaschutzmanagerin arbeitet zwar seit längerem an einer Strategie, hat Förderprogramme beantragt, jedoch vermissen wir die dazu gehörigen konkreten Maßnahmen.
Außerdem stellt sich die Frage wie weit die Entwicklung der Digitalisierung, der Ausbau von Gewerbe- und ggfs. Industrie-gebieten gediehen sind und wie wir mit weiteren Ratschlägen von IMAKA umgehen?
So hat uns IMAKA bereits am 17. Oktober 2022 eine Liste mit Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung unseres kommenden Haushalts vorgelegt, wonach wir unser Defizit um ca. 2,8 Mio. € reduzieren könnten. Aber schon bald danach wurde in der Sitzung des Finanzausschusses am 27.10.2022 deutlich, dass keine Fraktion diese heißen Eisen anfassen wollte, wie zum Beispiel beim Thema Hundesteuer – welches evtl. eine Einnahmeerhöhung von 220 000€ bringen könnte. Stattdessen wurde es in die Haushaltsplanberatung verwiesen.
Und was hat es Mitte Mai für einen Aufschrei bei Eltern, in den sozialen Medien und in der Presse gegeben, als CDU und Grüne einen Antrag zum Umgang mit den Vorschlägen zu den Gebühren im Kindertagesbereich und der OGS gestellt haben. Laut IMAKA wären 1,3 Mio. € möglich, jedoch bleibt es nach zähen Verhandlungen in den Ausschüssen bei 449.000 € pro Jahr.
Ja, auch wir haben viel Verständnis für die Eltern, die über die steigenden Gebühren für Kita, Kindestagespflege, OGS und Preise für das Mittagessen klagen.
Das gleiche gilt natürlich für die Nutzerinnen und Nutzer der Musikschule. Was die Gebühren für den Musikschulunterricht anbelangt ist es durch eine lange hinausgeschobene Diskussion derselben in den zuständigen Gremien noch nicht einmal im Finanz- und Vergabeausschuss heute vor einer Woche gelungen, zu einer Entscheidung zu gelangen, so dass diese heute erst getroffen werden muss. Sind es nun 76.000 oder 47.000 € statt der von IMAKA bezifferten 200.000€?
So bleibt die Frage, wo das nötige Geld herkommt, um den drohenden Nothaushalt zu verhindern? Also müssen wir die Grundsteuer erhöhen, was unter anderem auch seinen Grund in der Erhöhung der Kreisumlage um 3,36 Mio. € hat. Aber all diese Probleme sind nicht auf den Kämmerer abzuwälzen, sondern gemeinsam von der Bürgermeisterin, den weiteren Beigeordneten sowie allen Fraktionen zu lösen.
Christof Sommer, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen sagt zu der augenblicklichen Situation der Kommunen:“ Wir werden uns vieles schlichtweg nicht mehr leisten können. Das bedeutet im Klartext: Abstriche machen und Prioritäten setzen. Kommunen werden nicht daranvorbeikommen, Leistungen zu reduzieren. Es sei denn, sie erhöhen die Grundsteuer. Gerade in NRW, wo die Hebesätze schon am Anschlag sind, wäre das ein Zeichen von akuter Verzweiflung.“
Weshalb ist uns ein ausgeglichener Haushalt so wichtig? Wir möchten endlich aus dem HSK herauskommen, um auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben und nicht durch einen Nothaushalt einen Grund zu haben, uns der Diskussion um Gewährung von freiwilligen Leistungen zu entziehen. Dies bedeutet aber, dass wir nicht weiterhin so einfach jedes Projekt – koste es was es wolle – durchwinken, nur um bestimmten Interessensgruppen unserer Stadt zu gefallen.
Die Umsetzung der IMAKA Vorschläge wird sich über einen längeren Zeitraum hinziehen müssen und eng daran gekoppelt sein, was wir uns leisten können und was nicht. Die einen fühlen sich für die Haushaltssituation verantwortlich, die anderen interessiert es nicht, ob die Stadt den Rahmen des Haushaltssicherungskonzeptes einhält.
Kurz: Die einen rechnen, die anderen fordern.
Oder wie drückt es der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeinde Bundes NRW, Christof Sommer, im Zusammenhang mit „nachhaltigen Finanzen“ aus:
„Als Städte- und Gemeindebund NRW werben wir beharrlich für einen knochentrockenen Realismus. Nachhaltigkeit als Ziel vorgeben ist das eine. Sich konkret auf den Weg zu machen, das andere. Denn bei den Finanzen geht es ans Eingemachte. Das können alle bestätigen, die schon einmal einen Haushalt verhandelt haben. Ob im Rat der Gemeinde, ob in Brüssel oder wie derzeit in der Ampel in Berlin.“
Zum Schluss danken wir dem Kämmerer und seinem Team für die Aufstellung des Haushaltsplans mit Informationen zu den einzelnen Positionen und für seine klaren Worte im Laufe der Beratungen.